Michael Camino | 1978 | 182 Min. | EN/de
14.09.2023 | Kulturbetrieb Royal, Bahnhofstrasse 39, 5400 Baden | 19:00 Uhr
Eklat an der Berlinale! 1979 protestierten die Delegationen der sozialistischen Staaten gegen die Vorführung von «The Deer Hunter». Sie warfen dem Film, dessen Regisseur und der Organisation der Filmfestspiele vor, das vietnamesische Volk zu beleidigen und zogen sich – auf ihre Solidarität mit dem «heroischen Volk von Vietnam» verweisend – aus dem Festival zurück.
Wir starten mit Starbesetzung und Auszeichnungen in die neue Saison: «The Deer Hunter», deutsch veröffentlicht unter dem Titel «Die durch die Hölle gehen», wurde 1979 mit fünf Oscars ausgezeichnet, unter anderem mit jenem für den besten Film und die beste Regie. Robert De Niro, Christopher Walken und Meryl Streep wurden für ihre schauspielerische Leistung hochgelobt.
Der Film handelt davon, wie drei Freunde aus der US-amerikanischen Provinz in den Vietnamkrieg ziehen und was für Spuren der Krieg hinterlässt, in Form von psychischen oder physischen Verletzungen. Der dreistündige Film spielt in drei Akten – vor, während und nach dem Krieg – und legt damit einen Schwerpunkt auf die Geschehnisse in den Vereinigten Staaten. Regisseur Michael Cimino meinte dazu, dass er keinen Film über Vietnam, sondern einen über die Vereinigten Staaten drehen wollte. Ein Film, welcher die Auswirkungen des Krieges auf Einzelschicksale, Familienleben und Gesellschaft der USA thematisiert. Dabei zeigt er eindringlich, wie das Leben der drei Freunde und ihrer Angehörigen durch den Krieg zerstört wird. Ein Film über die US-amerikanischen Opfer des Krieges, auch solcher, die nie in Vietnam waren. Wobei dieser Ansatz auch kritisch betrachtet wurde. Simon Johns schrieb in der Filmbeilage von «The New Yorker» bereits am 16. Februar 1979, dass der Film trotz seines Anspruchs etwas Neues und Besseres zu sein, doch nur eine Fortsetzung der alten Hollywood-Kriegsfilm-Lüge sei, in welcher der Feind als dumm und bestialisch dargestellt wird, während sich die amerikanischen Soldaten durch Reinheit und Heldentum auszeichnen.
Wenige Tage später führte «The Deer Hunter» auch auf internationalem Parkett zu einem Eklat. An der Berlinale protestierten die Vertreter:innen der sozialistischen Staaten gegen den Film und verlangten, dass auf eine Vorführung verzichtet werde. Sie verwiesen darauf, dass der Film nicht zum besseren Verständnis zwischen den Völkern – ein erklärtes Ziel der Berlinale – beitrage und fühlten sich zum solidarischen Protest im Namen des «heroischen Volkes von Vietnam» verpflichtet. Der Auswahlausschuss des Festivals richtete sich in einer öffentlichen Erklärung an die Medien und verbat sich eine Einmischung in die Programmgestaltung: «Unabhängig davon, wie wir uns zu den inhaltlichen und ästhetischen Positionen des Films stellen, halten wir ihn für eine Herausforderung zur Diskussion, der sich ein internationales Festival wie das unsere keinesfalls entziehen darf.»
Der Festivalleiter stellte sich hinter die Entscheidung, den Film zu zeigen und meinte, die Berlinale sei frei und tolerant genug, sich auch mit harten und kontroversen Themen auseinanderzusetzen. Die sozialistischen Länder zogen daraufhin ihre Filme und ihre Delegierten vom Festival zurück. Regisseur Michael Cimino reiste ebenfalls ab. Er fühlte sich von der Festivalleitung nicht entschieden genug unterstützt und beharrte darauf, dass sein Film keine politischen Tendenzen habe.
Der Film wird am 14. September 2023 im Kulturlokal Royal in Baden gezeigt. Aufgrund seiner monumentalen Länge ist bereits um 19.00 Türöffnung und Barbetrieb, um 19.30 startet die Einführung. Diese wird gehalten durch Thomas Beutelschmidt, Filmhistoriker und Spezialist für filmische Debatten zwischen Ost und West. Er war Leiter des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts «Grenzüberschreitungen: Internationaler Programmaustausch als interkulturelle Kommunikation zwischen West- und Osteuropa am Beispiel des DDR-Fernsehens» (seit 2011) und assoziierter Forscher am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam. Er hat sich intensiv mit Film und Fernsehen der DDR auseinandergesetzt, insbesondere mit Projekten zum Verhältnis von Literatur und Film und zur Architekturgeschichte Berlins.