John Waters | 1972 | 92 Min. | EN/de
17.10.2019 | Kulturbetrieb Royal, Bahnhofstrasse 39, 5400 Baden | 20.00 Uhr
«royalscandalcinema» zeigt am 17. Oktober 2019 im Kulturlokal Royal Baden den skandalisierten Kultfilm «Pink Flamingos» – von dessen Regisseur John Waters beworben als «an exercise in bad taste». Eingeführt wird der Film durch die Anglistin, Filmwissenschaftlerin und Kulturjournalistin Murièle Weber.
Die Handlung des Filmes ist kurz umrissen: Zusammen mit ihrer Mutter, ihrem Sohn und ihrem Freund Cotton wohnt die Kleinkriminelle Babs Johnson (dargestellt durch die Dragqueen und Hi-NRG-Sänger*in Divine) am Rande der Stadt Phoenix in Maryland in einem abgehalfterten Wohnwagen mit (den namensgebenden) pinken Plastik-Flamingos vor dem Eingang. Durch ein Magazin wird Babs Johnson zur «the filthiest person alive» gekrönt. Diese ruhmreiche Bezeichnung wird ihr von den rivalisierenden Marbles, einem kriminellen Pärchen, missgönnt. Das Pärchen setzt alles daran, um Divine/Babs Johnson diesen Titel abzunehmen und versucht sich in allen möglichen «dreckigen» Geschäften, um dieses Ziel zu erreichen. Die Marbles betreiben einen Babyhandel auf dem Schwarzmarkt, kidnappen dafür Frauen, die sie von ihrem Diener vergewaltigen lassen, um sie zu schwängern und dann die Kinder zu verkaufen. Die gegenseitigen Angriffe der beiden kriminellen Gruppen steigern sich immer mehr ins Groteske und eskalieren in einem Strudel der Gewalt. Jedes mögliche Tabu wird im Film aufgegriffen und gebrochen. Von der Darstellung von Inzest, über Mord bis zum Verzehr von Hundekot gibt es keine Provokation, die ausgelassen wird.
In der Tradition der Untergrundfilme wurde «Pink Flamingos» mit einem Budget von 10‘000 Dollar an wenigen Wochenenden in der Nähe von Baltimore (der Heimat des Regisseurs John Waters) gedreht. Die Premiere Ende 1972 am jährlichen Baltimore Film Festival war ein Erfolg. Der Film schuf sich eine Anhängerschaft, die «Pink Flamingos» als Kultfilm verehrt. Am New Yorker Elgin Theater wurde er als «midnight movie» über Jahre hinweg gezeigt. Für die LGBTQ-Gemeinschaft war der Film ein Meilenstein: Da er fulminante Kritik an der heteronormativen Gesellschaft übte, wurde er von Teilen der Bewegung als «most important queer film of all time» gelabelt.
Regisseur John Waters meinte zum politischen Einfluss seines Films – eine Parallele zur militanten kommunistischen Untergrundorganisation der Weathermen ziehend – in einem Interview mit der Washington Post: «The Weathermen were a big influence […] We wanted to do cultural terrorism in a funny way.»
Die Zensur lief Sturm gegen den Film. International wurde seine Vorführung unter anderem in der Schweiz und Australien ebenso wie in einigen kanadischen Provinzen mit Altersbeschränkungen oder Verboten eingeschränkt.
Murièle Weber ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK), Lehrbeauftragte an der Universität Zürich und freischaffende Kulturjournalistin. Sie studierte Anglistik, Filmwissenschaft und Populärliteratur. Unter dem Titel «In a State of Decay» schreibt sie eine Doktorarbeit zur Repräsentation von Verfall und Zerfall in Literatur, Fotografie, Film und TV-Serien. Dabei fokussiert sie auf einen Vergleich historischer und zeitgenössischer Vorstellungen von «decay», um zu analysieren, wie diese Vorstellungen in Zeiten, die als Krisen wahrgenommenen wurden, jeweils verhandelt worden sind. Mit diesem thematischen Fokus ist sie prädestiniert, um in die Skandalisierungen rund um «Pink Flamingos» einzuführen.