Nabil Ayouch | 2015 | 108 Min. | AR/de
02.12.2021 | Kulturbetrieb Royal, Bahnhofstrasse 39, 5400 Baden | 20.00 Uhr
Am 2. Dezember zeigt «royalscandalcinema» den Nabil Ayouchs «Much Loved». Im Mittelpunkt des Filmes stehen vier Frauen, die als Prostituierte in Marrakech arbeiten. Mit Pragmatismus und Witz kämpfen sie gegen alltägliche Gewalt und Erniedrigungen. In Marokko wurde der Film verboten, da er eine «Verachtung der moralischen Werte und der marokkanischen Frauen» darstelle. Aufgrund von Todesdrohungen und Attacken auf offener Strasse verliess die Hauptdarstellerin Marokko. Sara Borrillo, Forscherin an der Università di Napoli und an der Université Internationale de Rabat, führt in die Kontroversen um den Film ein.
Vier Frauen in Marrakech sind Nacht für Nacht mit dem Auto unterwegs zu ihren Freiern, häufig Saudis, manchmal auch Europäer oder Marokkaner. Sie feiern wilde Partys; müssen dabei aber auch viel über sich ergehen lassen – physisch wie psychisch. Die Frauen leben zusammen in einer Wohngemeinschaft. Im Verlauf des Films lernt man lernt sie privat besser kennen und sieht, wie die Frauen versuchen, sich mit Witz und Pragmatismus von schlimmen Erfahrungen zu distanzieren. Ein schönes, aber auch trauriges Portrait dieser am Rande der Gesellschaft lebenden Frauen.
Nach der Uraufführung am Filmfestival von Cannes 2015 löste der Film in Marokko eine nationale Debatte aus. In der Folge wurde «Much loved» verboten. Loubna Abida, die Hauptdarstellerin, erhielt Todesdrohungen und wurde auf den Strassen von Casablanca tätlich angegriffen. Daraufhin flüchtete sie nach Frankreich, wo sie bis heute lebt. Der Regisseur Nabil Ayouch, der bereits in Frankreich lebte, wurde ebenfalls zum Ziel von Todesdrohungen. Er äusserte sich schockiert zu den Reaktionen, die sein Film hervorrief und meinte, nicht damit gerechnet zu haben.
«Much loved» hat in Marokko zu einer Wertedebatte und zu einer Kontroverse um die Grenzen des Zeigbaren geführt. In westeuropäischen und nordamerikanischen Medien wiederum wurde der Film hochgelobt. Zu medialer Empörung kam es gleichsam. Nur zielte diese auf die marokkanischen Zensurpraktiken; wird Marokko in öffentlichen Debatten doch eher als gesellschaftspolitisch progressives Land dargestellt. Wobei die entsprechende Berichterstattung nicht frei von kulturalistischen Stereotypen war.
Auf die unterschiedlichen Ebenen der Skandalisierung und die in der marokkanischen Gesellschaft verankerten Frauenbilder wird Sara Borrillo in ihrer Einführung zum Film eingehen. Sie gilt als eine der profiliertesten Kennerinnen zum Thema. Borrillo ist Historikerin für die Geschichte der arabischen Welt an der Università di Napoli L’Orientale, Dozentin für Islamisches Recht an der Università Roma Tre und Post-Doc-Researcher an der Université Internationale de Rabat. Sie war Lehrbeauftragte der Università di Macerata, Fellow am Centre Jacques Berque in Rabat, Mitglied des Women of United Nations Research Network und Gastforscherin am Institut de Recherche sur le Maghreb Contemporain in Tunis. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit soziopolitischen Transformationen im zeitgenössischen Nordafrika, säkularem und islamischen Feminismus, Geschlechterpolitik und Geschichte der Frauenbewegungen.
Das Referat wird in englischer Sprache gehalten.