Pietro Germi | 1961 | 105 Min. | IT/de
07.11.2024 | Kulturbetrieb Royal, Bahnhofstrasse 39, 5400 Baden | 20.00 Uhr
Der sizilianische Baron Cefalù hat sich frisch verliebt, ist aber verheiratet. Da das italienische Gesetz keine Scheidung vorsieht, schmiedet er Pläne zu einem ausgefeilten Ehrenmord. Eine satirische Komödie auf das italienische Eherecht vor 1970.
Baron Ferdinando Cefalù kehrt zurück in die sizilianische Kleinstadt, in den Palazzo seiner Familien. Die Zeit des Wohlstands ist allerdings vorbei. Die Cefalù besitzen nur noch die Hälfte des Hauses. Der aristokratische Schein wird gewahrt, Politik wird allerdings zwischen den beiden grossen Lager der italienischen Nachkriegspolitik ausgemacht, den Kommunisten und den Christdemokraten. Das interessiert den Baron aber nur am Rande. Er ist nämlich schwerverliebt in seine 16-jährige Cousine Angela und seiner Frau Rosalie überdrüssig. Da das italienische Zivilrecht keine Möglichkeit auf Scheidung vorsieht, schmiedet er Pläne, wie er Rosalie loswerden kann. Ein Prozess um eine betrogene Frau, die ihren fremdgehenden Gatten aus Eifersucht ermordete, dient ihm als Inspiration. Aufgrund des ehrenrührigen Fremdgehens ihres Mannes wurde die Frau nämlich mit einem äusserst milden Strafmass verurteilt. Also plant Ferdinando Cefalù, seine Rosalia mit einem anderen Mann zu verkuppeln, den gehörnten Ehemann zu mimen, das Paar schliesslich in flagranti zu erwischen, Rosalia – zur Rettung seiner Ehre – umzubringen, eine überschaubare Haft abzusitzen, schliesslich zurückzukehren und sich mit seiner geliebten Angela zu vermählen.
Mit seiner bitterbösen Komödie nahm Pietro Germi die italienische Ehe- und Strafgesetzgebung aufs Korn. Als der Film gedreht wurde, war es in Italien nicht möglich, eine Scheidung einzureichen. Das Recht auf Scheidung wurde in Italien erst 1970 eingeführt. Ganz im Sinne der römisch-katholischen Soziallehre wurde die Ehe als sakramentales Gut betrachtet, die es zu schützen galt. Die Verknüpfung von Ehe und Ehre zeigt sich – in satirischer Weise – auch in der milden Bestrafung des Mords aus Eifersucht. Moralisch unhinterfragt bleibt hingegen das Anbändeln mit einer minderjährigen Cousine. Sizilien dient als Projektionsfläche für eine Region, in welcher die Moderne nur zögerlich Einzug gehalten hat. Das macht der Baron klar, wenn er die Kleinstadt in wenigen Zahlen beschreibt: «Agramonte – 18’000 Seelen, 4’300 davon Analphabeten, 1’700 teil- oder vollzeitarbeitslos, 24 Kirchen». Gleichzeitig steht Agramonte für Italien als Ganzes.
Die katholische Kirche reagierte scharf auf dem Film. Das Centro Cattolico Cinematografico setzte ihn auf seine schwarze Liste, was einer kirchlichen Verdammung des Films gleich kam. Die Priesterschaft versuchte die Gläubigen davon abzuhalten den Film zu schauen, indem sie in Predigten und Medienbeiträgen auf dessen Verdorbenheit hinwiesen. Auch im deutschsprachigen Raum opponierten die katholisch-konservativen Medien gegen den Film. Die katholische «Film-Korrespondenz» in Köln beschrieb «Scheidung auf Italienisch» als einen Film, der die soziale Ordnung angreife und das Umgehen jeder sittlichen Stellungnahme zelebriere. Die katholischen Kantone der Innerschweiz gingen einen Schritt weiter und liessen den Film kurzerhand verbieten.
Dass der Film bei katholisch-konservativen Verbänden und der kirchlichen Hierarchie auf wenig Gegenliebe stossen würde, war klar – und durch den Regisseur durchaus beabsichtigt. Die Skandalisierung von Filmen durch die katholische Kirche parodierte Germi im Film selbst mit einer Szene, in welcher der lokale Priester seine Gemeinde davor warnt, sich im Kino den Film «La Dolce Vita» anzuschauen. Die Wirkung bleibt – wie so oft bei Skandalisierungsprozessen um Film und Kino – beschränkt. Der Film läuft vor gefüllten Rängen. Der Clou daran: Gegen «La Dolce Vita» hat die katholische Kirche tatsächlich opponiert. Beim männlichen Hauptdarsteller handelte es sich zudem – wie bei «Divorzio all’italiana» um Marcello Mastroianni.
Ausserhalb des katholisch-konservativen Milieus wurde der Film allerdings zu einem internationalen Erfolg. In Italien avancierte er zum Film mit den zweitbesten Besuchzahlen des Jahres. An den Filmfestspielen von Cannes wurde «Divorzio all’italiana» als beste Komödie ausgezeichnet, an den Academy Awards erhielt er den Oscar für das beste Drehbuch, an den Golden Globe Awards wurde er zum besten ausländischen Film auserkoren. Marcello Mastroianni wurde an den British Academy Film Awards als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet und erhielt einen Golden Globe als bester Komödiendarsteller. Das Avellino Festival für Neorealistischen Film kürte Daniela Rocca zur besten Darstellerin. Pietro Germi empfing an den italienischen Golden Globe Awards den Preis für den besten Film.
Auf die Debatte um die Legalisierung der Scheidung in Italien leistete der Film einen wichtigen Beitrag. 1970 führten die beiden Parlamentskammern schliesslich das Recht auf Scheidung ein. Ein Referendum gegen das neue Gesetz wurde 1974 durch das italienische Volk abgeschmettert – gegen die Empfehlung der katholischen und postfaschistischen Parteien.
Aram Mattioli, emeritierter Professor für Geschichte an der Universität Luzern, führt in den Film und seinen historischen Kontext ein.